Zum Tag der Befreiung, dem Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Streitkräfte des Hitler-Regimes am 08.05.1945, gedachten über 70 Personen in einem Rundgang durch die Duisburger Innenstadt denjenigen Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung, für die die Befreiung zu spät kam. Im Laufe des Rundganges schlossen sich spontan weitere Menschen an. „Wir freuen uns über die rege Teilnahme“ sagte Ayleen Blum, Sprecherin der Antirassistischen Intervention Duisburg (ARI), „es ist wichtig, dass weder die Gräueltaten der Nazis vergessen werden, noch die Menschen, die sich ihnen tagtäglich entgegenstellten und dies nicht selten mit ihrem Leben bezahlten.“ An verschiedenen geschichtsträchtigen Stationen erfuhren die aufmerksam lauschenden Teilnehmenden interessante Fakten über Verfolgung und Widerstand in Duisburg während des Nationalsozialismus. Dazu aufgerufen hatten die Gruppen ARI und Autonome Jediritter.
Der Gedenkgang begann am Osteingang des Duisburger Hauptbahnhofes, wo ein Stolperstein-Mosaik geputzt wurde, das auf die Lage von 300 Tatorten faschistischer Morde an Menschen jüdischer Herkunft in Duisburg aufmerksam macht. In dem ersten Redebeitrag der Antirassistischen Intervention wurde an die Opfer des NS-Regimes erinnert, sowie darauf hingewiesen, dass auch nach dem Tag der Befreiung Antisemitismus, Nationalismus und andere Versatzstücke faschistische Ideologie kontinuierlich weiterbestanden und bis heute bestehen. „Natürlich wollen wir auf keinen Fall die NSDAP und die heutige Rechte wie AfD und Pegida gleichsetzen, doch ein Vergleich hat eben gerade die Aufgabe, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Brüche und Kontinuität herauszuarbeiten”, erläuterte ARI-Sprecher Arne Czaikowsky. “Wir halten es für wichtig, sich jederzeit und überall rassistischen, antisemitischen, völkischen und anderen diskriminierenden und reaktionären Tendenzen in den Weg zu stellen.” Kritik gab es an den Auflagen der Polizei. “Absolut unverständlich waren für uns das Verhalten der Polizei, die darauf bestand, dass wir mit gut 80 Menschen die gesamte Strecke auf dem Gehweg gehen müssen. Für Pegida wird jedes mal die ganze Straße abgesperrt!”, so Ayleen Blum.
Der erste Stopp war das Mahnmal für 130 deportierte jüdische Kinder, das derzeit noch abgelegen an der Ecke Saarstraße/Königsstraße auf seinen endgültigen Standort auf dem neugestalteten Bahnhofsvorplatz wartet.
Der nächste Halt des Gedenkganges war das Amtsgericht, wo in einem Beitrag der Autonomen Jediritter die Gleichschaltung von Justiz, Verwaltung und Polizei und die Verfolgung von Jüdinnen und Juden und politischen Gegnern innerhalb des Staatsapparates thematisiert wurde.
Danach ging es weiter zur alten Synagoge, die in der Reichspogromnacht am 09.11.1938 komplett zerstört wurde. Hier wurde an die Vernichtung des jüdischen Lebens in Duisburg gedacht.
Vor dem DGB-Haus am Stapeltor wurde über die Zerschlagung der Gewerkschaften berichtet. Am Burgplatz vor dem Rathaus, wo eine Skulptur an den ermordeten Gewerkschafter Michael Rodenstock erinnert, sprach ein Vertreter der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union FAU über gewerkschaftlichen Widerstand in Duisburg während der Nazizeit. Dabei hob er insbesondere die entscheidende Rolle der Frauen in der Widerstandsbewegung hervor.
Am Münzplatz, dem nächsten Halt des Gedenkganges, wurde an das wenig bekannte KZ Ratingsee in Duisburg-Meiderich erinnert, ein Nebenlager des Vernichtungslagers Buchenwald. Am Münzplatz befand sich außerdem das Kaufhaus Cohen & Epstein, eines der größten und ältesten Kaufhäuser Duisburgs, das aber seinen jüdischen Besitzern abgepresst wurde.
In der Beekstraße, wo sich früher das Gewerkschaftshaus der Rheinschiffer befand, verlas ein Redner neben einigen Informationen über die Widerstandsgruppe Rheinschiffahrt auch einen Text einer Angehörigen eines widerständigen Schiffers, der bewegende persönliche Einblicke in den Alltags des antifaschistischen Widerstandes ermöglichte.
Die letzte Station des Gedenkganges war die Goldstraße 1, wo die Kreisleitung der NSDAP untergebracht war. In einer Abschlussrede erinnerte die Antirassistische Intervention Duisburg hier daran, dass es sich bei der nationalsozialistischen Terrorherrschaft nicht um ein Phänomen handelte, das 1933 plötzlich aus dem luftleeren Raum entstand und der Mehrheit der Deutschen gegen ihren Willen aufgezwungen wurde. Schon 1919 gründeten sich in Duisburg völkische Gruppen, ab 1924 besuchte Joseph Goebbels regelmäßig die Stadt und als Hitler 1932 im Wedau-Stadion sprach, kamen 120.000 Menschen und jubelten dem Führer der Nazis stürmisch zu. Auch heute, so führte die Rednerin aus, beriefen sich wieder zunehmend Menschen auf die sogenannte “konservative Revolution”, die schon die historischen Nationalsozialisten als Vordenker betrachteten, und versuchten erneut, ein völkisches und nationalistisches Gedankengut salonfähig zu machen.
Nach dem der Gedenkrundgang für beendet erklärt wurde, schlossen sich die Teilnehmenden noch den Protesten gegen PegidaNRW vor dem Hauptbahnhof an.