Zu den Duisburger Zuständen wurde schon viel gesagt und geschrieben. Anfang April führten sie erneut zu einem brutalen Einsatz der dafür bekannten 6. Bereitschafts-Polizei-Hundertschaft Duisburg gegen engagierte Antirassist_innen. Und erneut wird versucht, friedliche Menschen zu kriminalisieren, um polizeiliches illegales Verhalten zu rechtfertigen. Hierzu liegt Videomaterial vor.
Aber der Reihe nach:
Seit Monaten versuchen engagierte Menschen mit friedlichen Sitzblockaden ein Zeichen gegen die Pegida-Aufmärsche in Duisburg zu setzen. Sitzblockaden sind laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az:1BvR 718/89 von 1995) unter bestimmten Umständen Versammlungen nach Art. 8 Grundgesetz.
Während in vielen anderen Städten Sitzblockaden von der Polizei als Versammlung gewertet und nicht verfolgt werden, versucht die Duisburger Polizeiführung jedes mal friedliche Blockierer_innen zu kriminalisieren und wirft ihnen unter anderem – absolut rechtswidrig – Nötigung vor. Im Wissen um die tatsächliche Rechtslage wurde zwar noch kein einziges Verfahren eröffnet, jedoch wurden die engagierten Menschen von der Polizei durchsucht, ihre Personalien aufgenommen und Bilder angefertigt. Dieses polizeiliche Verhalten ist mindestens fragwürdig und teilweise auch rechtswidrig.
Auf der anderen Seite greifen immer wieder organisierte Nazis und rechte Hooligans Gegendemonstrant_innen und Journalist_innen an, ohne dass die Polizei dies verfolgt.
Pegida-Teilnehmer_innen versuchten mehrfach zur Gegenkundgebung vorzudringen, den Bahnhof zu stürmen oder Gegendemonstrant_innen am Rande des Aufzugs anzugreifen. Allein im April gab es mindestens vier derartige Vorfälle. Einmal konnte eine größere Gruppe Pegida-Teilnehmer bis in den Bahnhof vordringen, Gegendemonstrant_innen wurden geschlagen und auf dem Boden liegend getreten. Vor diesem Naziangriff flüchtende Gegendemonstrant_innen wurden dann auch noch von der Polizei angegriffen.
Nazigruppen streifen durch den Kantpark oder die Innenstadt auf der Suche nach politischen Gegner_innen.
Journalist_innen werden bei jedem Aufmarsch von Pegida-Teilnehmer_innen bedroht, bespuckt und teilweise auch tätlich angegriffen. Zuletzt wurde ein Journalist am 4. April angegriffen, dem Journalisten wurde daraufhin von der Polizei ein Platzverweis erteilt, wohingegen die Angreifer unbehelligt blieben! In den Polizeiberichten liest mensch nichts davon. Das bedeutet, das Grundrecht der Pressefreiheit wird bei Pegida-Demonstrationen mit Hilfe der Polizei außer Kraft gesetzt.
Dagegen agiert die Polizei gegenüber Pegida-Teilnehmer_innen sehr großzügig. Ein Alkohol- und Glasflaschenverbot wird nicht durchgesetzt, volksverhetzende oder gewaltverherrlichende Reden (z.B. der Rechtsterrorismus sei Teil der Bewegung) werden nicht unterbunden. Nazis die am 25.April eine Gegenkundgebung mit Flaschenwürfen angriffen wurden lediglich weggeschickt.
Am 1. Februar durften Pegida-Teilnehmer_innen mit dem verbotenen Keltenkreuz (nach §86a StGB verboten, siehe auch den Beschluss des BGH vom 1. Oktober 2008, 3 StR 164/08), begleitet von der Polizei, durch Duisburg marschieren, obwohl Polizeibeamte von Gegendemonstrant_innen darauf aufmerksam gemacht wurden. Eine deshalb gestellte Anzeige gegen Pegida-Teilnehmer_innen und eine Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizei wurde vom Pressesprecher der Polizei zunächst öffentlich geleugnet, Anfragen an die Pressestelle nicht beantwortet. Stattdessen erhielten als Reaktion alle Menschen, die an diesem Tag versucht hatten den Aufmarsch der Rassist_innen zu blockieren, eine Vorladung vom Staatsschutz (Polizeibehörde, die für Straftaten mit politischem Hintergrund zuständig ist) als Beschuldigte. Das bedeutet, wer Fehlverhalten der Polizei benennt muss damit rechnen, selbst kriminalisiert zu werden.
Wen die Polizei als Freund und wen als Feind ausgemacht hat, zeigte sich bereits Anfang 2015. Beim ersten Pegida-Aufmarsch folgte die Polizei einem Aufruf der Dresdener Pegida-Organisator_innen durch Betätigung der Hupe des am Kundgebungsplatz geparkten Einsatzfahrzeuges Zustimmung zu Pegidas Thesen auszudrücken.
Am selben Abend stürmte eine Horde Polizeibeamter „im Eifer des Gefechts“ in eine der Gegenkundgebungen, wobei mehrere Polizist_innen mit Schlagstöcken wüst und blindwütig auf alle Umstehenden, derer sie irgendwie habhaft werden konnten, eindroschen. http://cremecritique.blogsport.de/2015/01/20/bis-zu-200-gegen-rassismus-und-islamismus/#more-24
In den Wochen darauf erfolgten haltlose Anzeigen mit absurden Anschuldigungen gegen Gegendemonstrant_innen. So fällte z.B. ein Richter den Beschluss einen vor Beginn der Pegida-Demo überfallartig festgenommenen Antifaschisten bis 7:00 Uhr des Folgetages in Gewahrsam zu nehmen, weil er angeblich Steine gekauft zu haben soll. Diese skandalöse Vorgehen beruhte auf dem angeblichen Hinweis eines aus dem rechten Spektrum bekannten „Zeugen“, der zudem Kontakte ins Hooliganmillieu hat.
http://netzwerk-gegen-rechts.org/2016/01/27/ein-jahr-absurder-vorwuerfe-und-zwielichtiger-ermittlungen/
Diese Fälle sind nur Beispiele unter vielen, die aufzeigen wie die Polizei versucht antifaschistischen Protest mit Repressionen zu ersticken.
Einsatz vor der Shisha-Lounge
Eine Gruppe engagierter friedlicher Bürger hielt sich am 4. April in einer Shisha-Lounge auf, um ihren Protest gegen den verharmlosend als Spaziergang bezeichneten rassistischen Pegida-Marsch in naher Hör- und Sichtweite der Rassist_innen zu äußern. Beim Versuch das Lokal zu verlassen, wurde die Gruppe brutal von einer immer wieder übel auffallenen Duisburger Einsatzhundertschaft angegriffen. Der Versuch des friedlichen Protests wurde durch Schlagstockeinsatz, Faustschläge auch auf den Kopf (mit Carbonhandschuhen!) und Pfeffersprayeinsatz verhindert. Als die Polizei die Lage schon unter Kontrolle hatte und Menschen sich in die
Shisha-Lounge zurück zogen, erfolgte ein weiterer Pfeffersprayangriff. Selbst am Boden liegenden Menschen wurde Pfefferspray aus kürzester Entfernung gezielt in die Augen gesprüht. Menschen, die den Verletzten
helfen wollten, wurden mit Fäusten und Knüppeln geschlagen. Vier Menschen, die es bis auf die Straße geschafft hatten, wurden ebenfalls angegriffen und einer auf der Straße sitzenden jungen Frau wurde mit dem Schlagstock ins Gesicht geschlagen.
Nachdem sich alle mutmaßlichen Blockierer_innen in das Gebäude zurückgezogen hatten, wurde dann noch Pfefferspray in die Shisha Lounge gesprüht und die Tür geschlossen. In dem Lokal hielten sich auch unbeteiligte Personen auf. Es gab keinen weiteren Ausgang, mehrere Menschen waren verletzt und forderten Hilfe. Dies wurde von der Polizei nicht nur ignoriert, sondern sogar mit höhnischem Lachen quittiert.
Mehr als eine Stunde wurden die Verletzten in der mit Pfefferspray gefüllten Luft in dem Lokal eingesperrt, jegliche Hilfe wurde – auch allen Unbeteiligten, eine Angestellte hatte eine Panikattacke – über eine Stunde verweigert. Anschließend wurden die Personalien der Menschen aufgenommen, die friedlich protestieren wollten. Neun Personen mussten mit zur Polizeiwache und wurden dort teilweise bis in die frühen Morgenstunden festgehalten. Sie erhielten Anzeigen wegen Widerstand und (schwerem) Landfriedensbruch, einige auch wegen Körperverletzung und Beleidigung.
Dies sind typische Repressions-Anzeigen um Menschen einzuschüchtern, weitere Proteste zu unterbinden, und von eigenen Straftaten (unverhältnismäßige Gewalt, illegaler Schlagstockeinsatz, unterlassene Hilfeleistung, Missachtung eines Grundrechts, Freiheitsberaubung) abzulenken bzw. diese zu legitimieren.
Fazit
Aktuell sieht es so aus, dass es in Duisburg keinen breiten Protest gibt. Die Zivilgesellschaft beteiligt sich nicht am aktiven Protesten gegen die wöchentlichen rassistischen Aufmärsche, die organisierte Nazis und rechte Hooligans zur Vernetzung nutzen. Presse und Politik beten das Mantra des Ignorierens in dem fatalen Glauben, das „Naziproblem“ durch Totschweigen und Aussitzen lösen zu können. Die großen lokalen Printmedien beschränken sich darauf spärliche Polizeiberichte unhinterfragt abzudrucken und jegliche andere Stellungnahmen zu ignorieren oder gar zu zensieren (Screenshots und E-Mail liegen vor), während rassistische Kommentare unter Artikeln oft stehen bleiben. Damit befördern sie einen Rechtsruck der Gesellschaft, soziale Probleme erfahren eine rassistische „Lösung”.
In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass rechte Aufmärsche dort enden, wo breite Proteste stattfinden. In Düsseldorf stellten sich auch viele couragierte Bürger_innen den Hetze_innen von Pegida entgegen, was dazu führte, dass es Pegida in dieser Stadt nicht lange gab. Dies findet in Duisburg leider momentan (noch) nicht statt, auch Gewerkschaften und – bis auf wenige Ausnahmen – Parteien sind bei den Protesten in Duisburg nicht zu sehen.
Wo mensch Nazis (die „besorgten” Pegida-Bürger_innen marschieren mit Parolen wie z.B. „Hier marschiert der nationale Widerstand” und „Frei, Sozial, National” durch Duisburg) ignoriert und Protest-Aktionen kriminalisiert werden, bilden sich schnell gefährliche rechte Strukturen, die später nur schwer zu bekämpfen sind. Wenn mensch das Agieren der Polizei und der Geheimdienste (vom Oktoberfestattentat bis zum NSU) betrachtet, stellt sich allerdings schnell die Frage, ob dies nicht sogar gewollt ist.